Hemmschwellen senken - ( G3RM4N1 )

Wie gehe ich mit behinderten Menschen um? Ein Rollstuhlfahrer braucht Hilfe beim Einsteigen in die U-Bahn, oder ein lernbehinderter Jugendlicher bittet um Unterstützung beim Fahrkartenkauf. Schon stellt sich Unsicherheit ein – möglicherweise agiert man zu mitleidig, überfreundlich oder gibt dem Gegenüber unabsichtlich das Gefühl, ihn nicht für voll zu nehmen. Über diese Erfahrungen schreiben Behinderte im Internet. Zudem gibt es Portale, die versuchen, diese Barrieren abzubauen und auf beiden Seiten Ängste zu nehmen.

Der Berliner Raul Krauthausen wurde mit der Glasknochenkrankheit geboren und sitzt im Rollstuhl. In seinem Blog (raul.de/blog) berichtet er über seinen Alltag und die Probleme, die dieser manchmal mit sich bringt. Sei es, dass an der S-Bahn einmal mehr der Aufzug kaputt ist oder Jugendliche ihm dreist sein iPhone aus der Hand reißen und damit davonrennen. Krauthausen engagiert sich zudem mit seinem Verein “Sozialhelden e. V.” (sozialhelden.de) für einen selbstverständlicheren Umgang mit Behinderten und will zu mehr sozialem Handeln ermutigen.

Im Rahmen dieses Engagements entwickelte er die “Wheelmap” und wurde dadurch sogar zur Werbefigur für Google. Die “Wheelmap” ist eine Deutschlandkarte, in die jeder Nutzer unter wheelmap.org oder per App rollstuhlgerechte Orte eintragen kann. Ein Ampelsystem zeigt an, wie gut das jeweilige Kino oder Restaurant auf Rollifahrer eingestellt ist: Ein grüner Wimpel steht für barrierefreie Einrichtungen, ein gelber Wimpel signalisiert teilweise Barrierefreiheit. Die rote Kennzeichnung markiert öffentliche Gebäude, die Rollstuhlfahrer vor massive Probleme stellen.

Diese Schwierigkeiten thematisiert auch Christiane Link in ihrem Blog “Behindertenparkplatz”. Dort schreibt die Wahllondonerin in erster Linie über den Umgang der Politik mit Behinderten. Wenn beispielsweise der Bundestag elf Jahre nach der Verabschiedung des Behindertengleichstellungsgesetzes die neue Kampagnenhomepage www.dubistdiewahl.de nicht barrierefrei gestaltet, ist das ein Thema für die Rollstuhlfahrerin. Zudem beobachtet die Journalistin auch, wie die Medien über Behinderte berichten, und bringt die Darstellungen in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext. So weist sie beispielsweise daraufhin, dass Menschen, die eine Behinderung haben, nicht automatisch an dieser leiden, so oft das in den Medien auch formuliert wird.

Phrasen wie diese sind es, die die Seite www.leidmedien.de notwendig machen: Sie soll gerade Journalisten dafür sensibilisieren, wie eine angemessene Berichterstattung über behinderte Menschen aussieht – und wie nicht. Menschen, die “an den Rollstuhl gefesselt” seien, solle man doch bitte losbinden, und “dass behinderte Menschen Dinge nicht trotz oder wegen, sondern mit ihrer Behinderung tun, sollte sprachlich selbstverständlich werden”, finden die Verantwortlichen. Auch die Formulierung “geistig behindert” ist alles andere als schmeichelhaft, beklagt sich die zum Thema befragte Anette B.: “Viele Menschen denken, dass ich dumm bin und nichts lernen kann. Ich möchte lieber Mensch mit Lernschwierigkeiten genannt werden.”

Tatsächlich wird Lernbehinderten oftmals zu wenig zugetraut, am wenigsten ein weitgehend selbstständiges Leben. “Für mich ist Selbstständigkeit dass man alleine aufpassen muss, dass man genuck Trinkt, dass man sich gesund Ernährt, dass man Duscht, dass man viel in der Schule lernt, damit man später ein Beruf hat”, schreibt die lernbehinderte Anna-Lotta Mentzendorff im Blog “Von wegen behindert”. Das Internettagebuch wurde von Peter Föll initiiert, der eine Behindertenwohngruppe betreut. Sein Blog sei “ein Versuch der Teilhabe am Internet”, wie er in der Beschreibung erklärt.

Für Teilhabe macht sich auch der Verein “Best Buddies” (www.bestbuddies.org) stark. Ziel der Einrichtung ist es, Menschen zusammenzuführen und Behinderte sozial zu integrieren. Die Plattform vermittelt Freundschaften zwischen geistig Behinderten und Nicht-Behinderten. Zweimal im Monat sollen sich die Buddies persönlich treffen und wenigstens ein Mal wöchentlich per E-Mail oder Telefon Kontakt aufnehmen. Anthony Kennedy-Shriver gründete die Organisation 1989 in den USA, inzwischen sind weltweit rund 250.000 Menschen in dem Netzwerk aktiv.